HELENA RATKA
Furious X T.A.Z.
Vom Hakim Bey stammt der Essay über die „Temporäre Autonome Zone“. Mit einer vom Punk und Situationismus geprägten Haltung fordert der Philosoph dazu auf, Orte neu entstehen zu lassen, damit Prozesse der Umstrukturierung in Gang zu bringen und widerständig zu sein. In einer Art Happening mit Musik, Tanz, Visual Art und Live-Film entsteht ein neuer Blick – und das auf einen Ort, der für Wandel steht: Ursprünglich römisch-katholische Kirche, 2015 profaniert und heute von den Maltesern genutzt, wird das Gebäude für einen Abend mit verschiedenen künstlerischen Ebenen bespielt. Es entsteht für einen Abend ein Gesamtkunstwerk im Spiel mit der Architektur, das ungewöhnliche und experimentelle Sichtweisen evoziert. In der Show geht es um Auflösung und Dekodierung von vertrauten Strukturen – durch Sampling, Überlagerung verschiedener Ebenen, Metamorphose ...
Konzept, Regie, Musik: Pose Dia aka Helena Ratka / Tanz: Sujin Lee und Pauline Schönfelder / Visual Art und Live Visuals: Alexander Trattler / Live Kamera: Sarah Drath /Kostüm: Gloria Brillowska
Some Impressions
empire of the statue/
simulate yourself
Die Hamburger Musikerin und Videokünstlerin Helena Ratka, auch bekannt als Teil des Duos Shari Vari, begibt sich als Pose Dia auf eine poetisch-musikalische Suche nach der perfekten Marke. Gemeinsam mit der Kostümbildnerin Gloria Brillowska und dem Video Artist Alexander Trattler entwickelt sie eine hybride Liveshow in drei Teilen und fragt sich: Wie werden Pop und Trends konserviert? Wie funktioniert digitale Archäologie? „Empire of the Statue“ ist eine multimediale Konzertperformance, die unter anderem anhand eines imaginierten Fashionlabels auf visueller und akustischer Ebene eine eigene Welt erschafft, sie aber am Ende wieder in ihre Bestandteile zerlegt und durch die Dekonstruktion geläufige Codes und Sehgewohnheiten auf den Kopf stellt. Das Augenmerk liegt auf der vielschichtigen Symbolik von Kleidung in der Popkultur: Tarnung, Stilisierung oder politisches Statement? Im Raum aus Projektion, Sounds und Bühne zeichnet sich eine kritische und visionäre Idee von Mode und Pop ab, die im Spiel mit ihren Bezügen auf Ikonen-Beschreibungen verschiedener Epochen eine ganz eigene Sprache entwickelt. „Was Anderes als ein natürliches und mächtiges Palimpsest ist der menschliche Geist? Solch ein Palimpsest ist mein Geist; solch ein Palimpsest, O Leser! ist der Deinige. Immerwährende Schichten von Ideen, Bildern, Gefühlen sind auf deinen Geist gefallen so sanft wie das Licht. Jede Abfolge [von Gedanken] verbrannte scheinbar alles was vorher war. Und doch wurde in Wirklichkeit keine Einzige ausgelöscht.“ De Quincey, 2003, S. 150 Ich beziehe mich in der Performance inhaltlich unter anderem auf Arbeiten wie -Suspiria- von Thomas De Quincey, in dem es um das Bewusste, das Unterbewusstsein und das Erinnerungsvermögen geht. Auch die Ideen der amerikanischen Mode/ Künstlergruppe Bernadette Cooperation haben mich inspiriert, insbesondere die Gestaltung von Marken innerhalb der Kunstwelt. Weitere Bezüge liefern Valie Export mit Ihrer eigenen Zigarettenmarke, Siegfried Zielinski und die Archäologie der Medien, Georg Simmel und Texte von Baudrillard. Zeitgenössische Inspirationen finde ich etwa in der Pop- und Starkultur. Beispielhaft hierfür ist das „Zitat im Zitat“-Fanshirt von Macaulay Culkin und Ryan Gosling (https://www.schweizer-illustrierte.ch/stars/international/ryan-gosling-macaulay-culkin-t-shirt-fotos-never-ending-twitter) deren Idee ich als Merch für die Performance neu interpretiert habe. Ausserdem stelle ich mir und den Zuschauenden die Frage welche Möglichkeiten der digitale Raum - neben seinen Schwächen - in der Vermittlung von Musik bietet? Was bedeutet es für Künstler*innen, sich durch den pandemiebedingten Wegfall von unmittelbaren Begegnungen zunehmend mit digitalen Medien auseinander setzen zu müssen? Und welche Konsequenzen in Bezug auf die Selbstvermarktung und Identitätsbildung ergeben sich daraus? Was hat innerhalb dieser Schnelllebigkeit Bestand und gibt es so etwas wie digitale Archäologie, also Schichten, die man abtragen kann, um in die Tiefe (des Netzes) zu schauen? „Empire oft he Statue/ Simulate Yourself“ schafft es zwischen Tonträger, Installation, Konzert und Performance einen Raum einzunehmen, der sowohl auf Vinyl, wie auch auf einer Konzertbühne oder als Stream funktioniert. Musikalisch breit gefächert zwischen Spoken Word, Electronica, Pop und Techno, betreten wir eine Welt, in der gesellschaftliche Themen wie z.B. der Druck des kapitalistischen Vermarktungssystems auf das Individuum oder auch das Spannungsmoment zwischen Natur und digitaler Welt verhandelt werden. In meinen poetisch-abstrakten Texten klingt die Unzufriedenheit eher an, als das sie ausformuliert wird.